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Universitäts-Klinikum Bonn: Zwei autonome EasyMile EZ 10 im Einsatz

"BN-UK 74" passiert das Kliniktor | © Christian Marquordt

Wir schreiben den 2. August 2024. Für 11 Uhr haben die Bonner Universitäts-Kliniken vor den Haupteingang von Augen- und Hals-Nasen-Ohren-Klinik eingeladen. Vorgestellt werden sollen zwei autonome EasyMile EZ 10 Minibusse („BN-UK 74“ und „BN-UK 75“), die ab sofort einen Rundkurs im Uniklinikum bedienen werden. Und zwar völlig kostenlos und an sieben Tagen in der Woche jeweils von 7 Uhr am Morgen bis um 16.30 Uhr am Nachmittag.

Der Sinn für diese Bedienungszeiten liegt auf der Hand: am (frühen) Morgen kommen die Patienten an, die neu stationär aufgenommen werden, gegen 16.30 Uhr verlassen in aller Regel die letzten Besucher das weitläufige Gelände der Unikliniken, die hier Patienten besucht haben. Dann können die beiden „Shuttles“ mit gutem Gewissen in ihre Abstellhalle zurückkehren. Denn sie fahren elektrisch und müssen deshalb ihre Batterien für den Einsatz am nächsten Tag nachladen. Von 16.30 Uhr bis 7.00 Uhr am nächsten Morgen: da reicht die Zeit zum Nachladen allemal.

Autonomer Shuttle an der Haltestelle Notfallzentrum | © Michael Heinzel
Einer der beiden Shuttles im „Betriebshof“, einer Fertigteil-Garage | © Michael Heinzel

Das Betriebskonzept

Bonns Unikliniken bieten ab sofort einen Komfort-Check-in an. Am Abend vor der stationären Aufnahme  meldet der Patient sich an. Die Leitstelle der Kliniken weist ihm einen Parkplatz für sein Auto zu, und einer der beiden EasyMile-Shuttles holt ihn dort ab und bringt ihn zu seiner Klinik auf dem weitläufigen Campus.  Denn das Bonner Universitäts-Klinikum ist in der Nord-Süd-Ausdehnung etwa zwei Kilometer lang und auch in Ost-West-Ausrichtung mehrere hundert Meter breit. Wer – zumal, wenn er sich nicht auskennt – möchte sich da schon alleine „durchfummeln“?

Sobald diese Aufträge abgearbeitet sind, gehen die beiden Shuttles auf ihre Rundlinie durch das Gelände.  Die hat die Form eines (langgestreckten) Kreises mit zwei längeren „Wurmfortsätzen“. Sie beginnt am Haupteingang von Augen- und Hals-Nasen-Ohren-Klinik, führt über das „Notfallzentrum“ zur „Hauptpforte“ der Universitäts-Kliniken, bedient die Haltestellen „Unikliniken Hauptpforte“ und „Uniklinikum Süd“ der Linien 601, 630, 632 und 634 von Bonns Stadtverkehrsbetrieb SWB, fährt dann zur „Nervenklinik“, wendet hier, und zurück geht es über die Stadtbushaltestelle „Uinikliniken Süd“, „Frauenklinik“, „Hauptpforte“ und „Notfallzentrum“ zur „Augenklinik“. Wichtig ist, dass die beiden kleinen Shuttles die Haltestellen der städtischen Busse bedienen und so für die „Feinverteilung“ der Menschen auf  dem Klinikcampus sorgen.

Die Runde von Augenklinik zurück bis Augenklinik dauert 23 Minuten. Einen definierten Fahrplan für die beiden Shuttles gibt es nicht, da sie zu zweit unterwegs sind, sollte so etwa alle 11,5 Minuten ein Shuttle kommen. Im Idealfall wird, wenn einer der Shuttles an der Augenklinik ist, sein „Zwilling“ gerade am entgegensetzten Ende an der Nervenklinik sein. Der tägliche Betrieb wird zeigen, wie weit das mit dem 11,5-Minuten-Takt klappt und ob und wie oft der zweite Shuttle eben doch seinen „Zwillingsbruder“ einholt.

Zum EasyMile EZ 10

Beide EasyMile EZ 10 könnten von ihrer Konstruktion her mit 40 km/h unterwegs sein. Technisch kein Problem. Aber der Gesetzgeber, sowohl der europäische als auch der deutsche, ist wesentlich vorsichtiger. In Bereichen, wo viele Leute zu Fuss unterwegs sind, dürfen die beiden Kleinen „nur“ 8 km/h, auf der breiten Straße zwischen den großen Bushaltestellen „Uniklinikum Hauptpforte“ und „Uniklinikum Süd“ immerhin das Doppelte, nämlich 16 km/h. Dieselben 16 km/h sind auf der langen geraden Strecke an der Frauenklinik vorbei erlaubt. Man merkt, wenn der Kleine „in die Vollen geht“.

Gelenkt ist der EasyMile EZ 10 auf allen vier Rädern, Schlagen die Vorderräder nach links ein, drehen sich die Hinterräder nach rechts. Das sorgt dafür, dass der EZ 10 auch enge Kreisverkehre ganz korrekt befahren kann und nicht abmarkierte Flächen zu Hilfe nehmen muss.

Beide EZ 10 haben ihre Strecke „gelernt“. Dank GPS wissen sie, wo auf ihrer Linie sie sich gerade befinden, wo es nach rechts oder links geht, wo eine Haltestelle ist – an der sie möglicherweise anhalten müssten -, Sie erkennen den Fußgänger-Zebrastreifen und sie erkennen, ob zum Beispiel ein Fußgänger vor ihnen her geht. Kein Problem: der EZ 10 passt sein Tempo dem des Fußgängers an. Das alles geschieht mit Hilfe von Radaren und Lidaren, die der EZ 10 an Bord hat. Die haben ihren Platz an den vier Ecken des Wagens gefunden, und auf seinem Dach. Letzteres verschafft ihm einen kompletten Überblick von 360° rund um den kleinen Shuttle.

Die beiden EZ 10 können jeder 12 Fahrgäste mitnehmen. Je drei Sitzplätze finden sich hinter der Front- und vor der Heckscheibe, zusammen also sechs, sechs weitere Fahrgäste können stehend mitfahren.

Und noch wollen der europäische und der deutsche Gesetzgeber, dass zur Sicherheit ein „Operator“ (= Bediener) mitfährt. Wobei der Operator auf der Demonstrationsfahrt, auf der der Verfasser mitgefahren ist, sagte, in den USA seien solche autonomen Shuttles längst völlig alleine unterwegs, von einem Operator sei dort längst keine Rede mehr. Die Frage bleibt: müssen wir in Europa wirklich so ängstlich sein? Immerhin, der Gesetzgeber will es so.

Was also hat der Operator zu tun? Nun, an einem Trageriemen um den Hals trägt er vor sich eine Konsole, mit der er alle Funktionen des Kleinen steuern kann. Das beginnt mit dem Lenken – das kann der Kleine alleine, aber vielleicht gibt es ja einen Grund für den Operator, einzugreifen. Er kann hier beschleunigen und natürlich auch bremsen. Und wie wir schon sahen: der EZ 10 erkennt Zebrastreifen und seine Haltestellen, und wenn ihm niemand etwas anderes sagt, bleibt er da stehen. Der Operator kann ihm aber den Befehl geben, nicht stehen zu bleiben, sondern durch zu fahren. Und wenn der Kleine denn angehalten hat, muss der Operator ihm „sagen“, dass er wieder losfahren soll. Käme dieses Signal nicht von der Konsole, der Shuttle bliebe an Ort und Stelle stehen.

In Monheim zwischen Köln und Düsseldorf betreiben die „Bahnen der Stadt Monheim“ schon seit dem Frühjahr 2020 ihre Stadtbuslinie „A 01“ mit fünf EasyMile EZ 10. UTM berichtete. Schon damals fiel dem Verfasser auf, dass die EasyMile EZ 10 stehen blieben, wenn ein „Artgenosse“ entgegen kam. Da mussten erst die Operatoren das Kommando geben: „Fahr weiter, der tut nichts.“ Also jetzt die Frage an den Operator vom Bonner Universitäts-Klinikum, ob das noch immer so sei. Was der leider bestätigte.

Übrigens berichtete der Operator, dass er nach zwei Stunden Dienst auf dem Shuttle abgelöst werden müsse. Auch das eine reine Vorsichtsmaßnahme. Nach maximal fünf Runden hat der Pilot also erst einmal Pause, ein Kollege übernimmt.

Technische Daten zum EasyMile EZ 10

  • Hersteller: EasyMile, Toulouse, Frankreich
  • Länge: 4.050 mm
  • Breite: 1.892 mm
  • Höhe: 2.871 mm
  • Fahrgastkapazität: 12 Fahrgäste, davon 6 Sitzplätze
  • elektrisch bediente Rollstuhlrampe, belastbar bis 350 kg
  • Batteriekapazität für bis zu 14 Betriebsstunden
  • Nachladung über Nach t auf dem Betriebshof über Kabel und CCS-Combo-Stecker 
  • Leergewicht: 2.130 kg
  • zul. Gesamtgewicht: 3.130 kg
    jeweils inclusive 4 Batteriepaketen und Klimaanlage, Zuladung also eine Tonne
  • Autonomes Fahren nach Level 4 (= noch muss ein Operator mitfahren)                    
EasyMile EZ 10 mir geöffneten Türen | © Christian Marquordt
… von rechts vorne | © Christian Marquordt
16.08.2024