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Klimastreik, Klimagipfel und Klimaschutzprogramm

In Berlin nahmen über 100.000 Demonstranten am Klimastreik teil I Foto: UTM

Der 20. September 2019 stand im Zeichen des weltweiten Klimaaktionstages. Während am Sitz der Vereinten Nationen in New York der sogenannte Climate Action Summit stattfand, hat die deutsche Bundesregierung ein neues Klimaschutzpaket auf den Weg gebracht, mit dem die CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 55% gesenkt werden sollen. Begleitet wurden beide Gipfel von Demonstrationen der „Fridays For Future“ Bewegung – mit über 5.000 Streiks in mehr als 150 Ländern. Allein in Deutschland wurden nach offiziellen Angaben über 1,4 Millionen Teilnehmer gezählt.

Das deutsche Klimaschutzpaket

Die Bundesregierung hat am 20. September mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung der CO2-Emissionen in Europas größter Volkswirtschaft vorgestellt. Das sogenannte Klimaschutzpaket umfasst die Einführung einer CO2-Steuer. Darüber hinaus wurde ein Finanzierungspaket in Höhe von 54 Mrd. EUR freigegeben.

Für viele geht die Politik nicht weit genug. Umweltgruppen und Ökonomen kritisierten insbesondere den relativ niedrigen CO2-Steuer.

Herzstück des Klimaschutzprogramms ist die neue CO2-Bepreisung für die Bereiche Verkehr und Wärme ab 2021. So wie es im Rahmen des europäischen Emissionshandels bereits für die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie gilt, wird der CO2 Ausstoß nun auch in den Bereichen Verkehr und Gebäude einen Preis bekommen. Allerdings wird der Preis anfänglich nur 10 Euro pro Tonne betragen und schrittweise bis zum Jahr 2035 auf 35 Euro ansteigen. 

Unabhängige Umweltverbände empfehlen hingegen einen CO2-Preis von 180 EUR pro Tonne, der zur Erreichung der Ziele erforderlich wäre.

Im Verkehrsbereich 

Die Kaufprämie für Pkw mit Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb wird verlängert und für Autos unter 40 000 Euro angehoben. Das Ziel ist, bis 2030 sollen 7 bis 10 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zuzulassen. 

Die Bundesmittel für den Öffentlichen Nahverkehr wurden auf eine Milliarde Euro jährlich ab 2021 erhöht. Damit soll das Nahverkehrsnetz ausgebaut werden. Ab 2025 werden diese Mittel 2 Milliarden Euro jährlich betragen. So sollen zum Beispiel Busflotten mit elektrischen, wasserstoffbasierten und Biogas-Antrieben gefördert werden.

Bis 2030 investieren der Bund und die Deutsche Bahn 86 Milliarden Euro in das Schienennetz. Auch der Güterverkehr wird von dieser Modernisierung profitieren. Dadurch sollen auch mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. Die Bahn wird von 2020 bis 2030 jährlich eine Mrd. € für Modernisierung, Ausbau und Elektrifizierung des Schienennetzes erhalten.

Die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr wird auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gesenkt. Im Flugverkehr erhöht die Bundesregierung die Luftverkehrsabgabe ab dem 01.01.2020 und verhindert Dumpingpreise.

Was denken die jungen Leute?

Das Urban Transport Magazine hat am Rande der „Fridays For Future“ Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin mit mehreren jungen Klimaaktivisten über die Themen Klimawandel und ÖPNV gesprochen. 

  • Sophia und Theresa aus einem kleinen Ort in Brandenburg:

UTM: Warum seid ihr heute hier?

Sophia: Aus ganz vielen Gründen. Zum einen für mich selbst, um die Bewegung spüren zu können und um zu sehen, wie viele Menschen auf dem Weg sind. Das ist für mich total wichtig, um mich auch im Alltag zu motivieren und im Dinge im Alltag anders zu machen. Andererseits möchte ich der Politik und dem Rest der Bevölkerung ein Signal senden. 

Theresa: Dem schließe ich mich an. Ich möchte die Bewegung unterstützen und ich finde es cool, dass die Bewegung gerade so groß geworden ist. 

UTM: Welche konkreten Erwartungen habt ihr von der Politik?

Sophia: Ich gehe nicht davon aus, dass die Politik etwas macht, aber natürlich ist es natürlich eine Forderung, die da ist. Wir möchten, dass die Politik ganz massiv eingreift und ein Gesetz für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit schreibt und nicht im Sinne der Wirtschaft

Theresa: Aus meiner Sicht müsste die Politik ihre Prioritäten ganz stark verändern und alles auf den Umwelt- und Klimaschutz ausrichten. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Das ist das, was aus meiner Sicht passieren müsste. Kompromisslösungen wie die CO2 Steuer und Gesetze reichen eigentlich nicht.

UTM: Was müsste sich aus eurer Sicht im Bereich ÖPNV verändern?

Sophie: ÖPNV muss günstiger werden als Auto fahren, der ÖPNV sollte besser subventioniert werden und natürlich auch in ländlichen Bereichen wie in Brandenburg müsste der Takt verbessert werden. Die Bahnstrecken sollten besser gepflegt werden, da es im Regionalverkehr immer wieder Probleme gibt.

Theresa: Es müssten Schienennetze nicht ab-, sondern aufgebaut werden. Außerdem sollten Subventionen erhöht werden, damit der ÖPNV nichts oder fast nichts kostet. Und natürlich muss weniger geflogen werden. 

UTM: Vielen Dank für das Gespräch!

  • Sofia, Pauline, Franziska, Immanuel, Sebastian, Henrik, Oscar – Schüler aus Berlin:

UTM: Warum seid ihr heute hier?

Pauline: Weil wir eine bessere Klimapolitik wollen!

Immanuel: Weil wir der Politik zeigen wollen, dass mehr Menschen für den Klimaschutz einstehen als für eine Welt, in der ich keine Kinder haben möchte.

Oscar: Weil die Emissionen für den Verkehr seit 1990 nicht mehr gesunken sind.

UTM: Was erwartet ihr konkret von der Politik?

Henrik: Mehr als das, was heute herausgekommen ist.

Sebastian: Also in Sachen Verkehr müsste das ganze Paket eigentlich wieder geändert werden, was die Regierung heute entschieden hat. Die Pendlerpauschale soll ja erhöht werden. Das ist ja quasi das Gegenteil, was man eigentlich erreichen möchte. Es ist ja absurd, dass unter dem Namen Klimaschutzpaket eine fossile Subvention erhöht wird. 

Pauline: Wir haben ja bestimmte Forderungen und die (Politiker) sind heute mit diesem Ergebnissen, die sie uns heute präsentiert haben, in keinster Weise unseren Forderungen nachgekommen. Zum Beispiel ist eine unserer Forderungen, bis Ende 2019 zu einem Viertel aus der Kohlekraft auszusteigen und das Ende alle klimaschädlichen Subventionen zu stoppen. Wir möchten den Kohleausstieg bis 2030 und nicht bis 2038 und die Politiker haben heute noch nicht mal etwas zum Thema Kohleausstieg gesagt. 

Immanuel: Und ganz wichtig ist es, eine CO2-Steuer einzuführen, und zwar eine, die ganz schnell auf 180 € pro Tonne steigt. Warum 180 €? Nicht weil es eine Zahl ist, die wir uns aus den Fingern gesogen haben, sondern weil dies die Schadenskosten sind, die jede Tonne CO2 anrichtet. Und wenn die Regierung einen Preis von 10 € pro Tonne beschließt, dann bedeutet das, dass die allermeisten Schäden des Klimawandels auf unseren Schultern landet. Das wollen wir nicht hinnehmen.

Oscar: Die Zahl von 180 € stammt vom Bundesamt für Umwelt – es ist ein offiziell berechneter Wert.

UTM: Was müsste sich aus eurer Sicht im Bereich ÖPNV verändern?

Sofia, Pauline, Franziska: ÖPNV muss günstiger werden!

Oscar: Ich möchte einmal etwas positives sagen, weil wir haben jetzt kostenlosen ÖPNV für Schüler. Und das reizt mehr Schüler an, den ÖPNV zu nutzen. 

Pauline: Ja, aber nur Schüler. 

Oscar: Ja, nur Schüler, aber ich finde es ist ein richtiger Schritt.

Sebastian: Statt einem Feuerwerk an Fördermaßnahmen brauchen wir auch endlich Maßnahmen, um den Autoverkehr einzudämmen. Zum Beispiel das Streichen von Fahrspuren, die Einführung einer CityMaut und so weiter. Man kann sich nicht der Illusion ergeben, dass es ausreichen würde, da ein bisschen Geld hinzugeben und dort. Man muss auch auf der anderen Seite Zuckerbrot und Peitsche machen. Die Peitsche hat die Regierung komplett vergessen und ohne werden wir die Klimaziele nicht erreichen und das 1,5 Grad Ziel nicht erreichen. 

Immanuel: Dazu kommt auch, das das Paket an der komplett falschen Stelle ansetzt. Es werden Elektroautos subventioniert, wobei wir keine Elektroautos brauchen sondern Lastenfahrräder und gute Fahrradspuren. Wenn Lastenfahrräder mit 6.000 € subventioniert würden, stellen Sie sich einmal vor wie viele Leute mit Lastenfahrrädern unterwegs sein würden (alle lachen). Wenn wir eine gute Klimapolitik haben wollen, muss sie auch sozial verträglich sein und dann müssen auch an den ÖPNV denken und daran denken, wie wir Fahrrad fahren für alle schnell und günstig anbieten können. 

UTM: Vielen Dank für das Gespräch!

  • Kevin, Samuele, Luca – aus Venedig, Italien, machen in Berlin ein Praktikum:

UTM: Warum seid ihr heute hier?

Kevin: Unser Büro hat das organisiert und wir sind alle zusammen gegangen. Und natürlich unterstütze ich die Bewegung.

Luca: Ich nehme teil, weil ich denke, dass der Klimawandel heutzutage eines der wichtigsten Themen ist. Wir als junge Generation müssen uns kümmern und den Menschen wissen lassen, was wir denken. Wenn wir uns nicht kümmern, kümmert sich keiner darum. Für uns ist es eine große Verantwortung und der Klimawandel wird uns alle in der Zukunft betreffen.

Kevin: Wir zerstören unseren Planeten und müssen etwas dagegen tun. Ich meine, es ist wichtig, dass die Leute wissen, was die aktuelle Situation ist. Manche Leute kümmern sich einfach nicht darum und das ist nicht gut für uns. Wir sind jung und wollen eine bessere Zukunft für uns und für alle anderen. Wir sind hier, um zu sagen, dass es eine Möglichkeit gibt, die Situation zu ändern.

UTM: Was müsste sich aus eurer Sicht im Bereich ÖPNV verändern?

Luca: Natürlich müssen wir den Autoverkehr reduzieren, das ist der erste Punkt. Wir müssen alle mehr öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ich denke, dass in Deutschland die öffentlichen Verkehrsmittel wirklich funktionieren. Es ist für mich kein Problem, in Deutschland, den ÖPNV zu nehmen. Zum Beispiel in Italien ist es ganz anders. Es gibt nicht so viele Verbindungen zwischen den Städten und Sie müssen meistens Ihr Auto nehmen, wenn Sie von einem Ort zum anderen wollen. Ich komme aus Venedig und wenn ich von Venedig in eine andere Stadt im Norden Italiens möchte, kann ich eigentlich nur mit dem Auto fahren.

Kevin: Hier gibt es viele Fahrräder und unzählige Bikesharing-Angebote. Ich mag es wirklich. Vielleicht sind sie etwas teurer als öffentliche Verkehrsmittel, aber dennoch ist es gut und einfach zu bedienen.

UTM: Welches Verkehrsmittel verwendet ihr in Berlin am liebsten?

Luca: Mein liebstes Transportmittel ist das Fahrrad, aber hier habe ich noch kein Fahrrad (lacht). Aber ich werde eines kaufen. Also gehe ich im Moment am liebsten zu Fuß. Jeden Tag gehe ich so zum Büro und lerne die Stadt kennen.

Kevin: Zu Fuß oder mit dem Fahrrad kann man die Stadt am besten sehen und genießen.

Luca: Im Bereich ÖPNV nehme ich am liebsten die U-Bahn, weil sie schneller ist. Anders ist es mit der Straßenbahn, mit der Sie die Stadt genießen und besser nachvollziehen können, wo Sie sich tatsächlich befinden. 

UTM: Vielen Dank für das Gespräch!

21.09.2019
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