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Eine „echte“ Niederflur-Straßenbahn für Medellín

Translohr "Tranvía" in Medellín | © Dirk Budach

Während die Hauptstadt Bogotá seit Jahrzehnten plant und jetzt endlich mit dem Bau einer Metro begonnen hat, wird in der zweitgrößten Stadt im Land – Medellín – schon seit mehr als zwei Jahrzehnten elektrischer Nahverkehr auf der Schiene angeboten.

Aktuelle Situation

Die Metro Medellín besteht aus insgesamt 34,5 km oberirdischer Strecke, die im inneren Stadtzentrum als Hochbahn und auf den äußeren Abschnitt ebenerdig und vollständig eingezäunt, kreuzungsfrei und unabhängig von vorhandenen Straßen verkehrt. Die Trassierung erinnert dabei teilweise an europäische S-Bahnen durchaus mehr als an eine reine Metro.

Betrieben werden zwei Linien A und B, die insgesamt 27 Haltestellen bedienen. Hier kommen 42 in den letzten Jahren modernisierte Drei-Wagen-Züge von MAN/Siemens aus den neunziger Jahren und 38 neuere Einheiten aus dem Hause CAF (Baujahr 2009-2016) zum Einsatz. Die Metro fährt auf 1.435mm Spurweite und mit Oberleitung unter 1.500 V Gleichspannung. Siemens Mobility modernisierte die Signaltechnik der Metro seit 2018 umfassend.

Modernisierte Siemens/MAN-Züge nahe Aguacatala | © Dirk Budach
Metro im Zentrum zwischen Parque Berrío und San Antonio | © Dirk Budach
Alle Siemens-Züge erhielten eine neue Frontpartie | © Metro Medellín on Twitter
CAF-Zug in Doppeltraktion auf Linie A nahe der Station Hospital | © UTM/b
Als Hochbahn im Stadtzentrum – Linie A | © Dirk Budach


Translohr – „Tranvía Ayacucho“

Die Hochbauten, insbesondere auch die Stationsanlagen im zentralen Innenstadtgebiet, fallen durch ihre massive Bauweise auf und haben erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Innenstadt. Nicht nur aus diesn Gründen, sondern auch um die hohen Kosten des Metrobaus zu umgehen und gleichzeitg eine bessere Feinerschließung zu erlauben, entstand vor wenigen Jahren Amerikas einzige Translohr-Linie. Sie beginnt ebenerdig direkt unter der Umsteigestation San Antonio der beiden Metrolinien A und B und verläuft über 4,3 km Länge auf abmarkierter Eigentrasse im Verlauf vorhandener Straßen. Diese Straßen wurden dabei zum Teil als Fußgängerzonen ausgewiesen und sind damit praktisch frei von Autoverkehr. 12 fünfteilige Translohr-Züge mit Spurführung durch eine einzelne Mittelschiene kommen hier seit 2016 zum Einsatz – vermarktet wird das Ganze als „Tranvía“ Linie T.


Bildergalerie

© Metro Medellín

Eine weitere Streckenübersicht findet sich unter: https://www.urbanrail.net/am/mede/medellin.htm.

Die Seilbahnen Metrocable erschliessen höher gelegene Stadtteile | © Metro Medellín on Twitter

Zum abwechselungsreichen ÖPNV-Angebot gehören außerdem inzwischen schon sechs verschiedene Seilbahnen vor allem zur Erschließung hoch gelegener Stadtteile, hier als „Metrocable“ bezeichnet – ein System, das auch andernorts inzwischen erfolgreiche Nachfolger gefunden hat. Seit 2011 gibt es zudem mittlerweile ausschließlich von E-Bussen befahrene, sogenannte Metrobuslinien, heute insgesamt drei, die aber nicht an allen Stellen Eigentrasse habe und deshalb auf den Strecken im Mischverkehr mit dem überbordenden Individualverkehr „mitschwimmen“ müssen. Das macht sie verspätungsanfällig. Die zum Teil eingesetzten Solobusse sorgen zusätzlich für häufige Überfüllungen. Aber auch die beiden schienengebundenen Systeme, die Metro und die Tranvía, haben zu bestimmten Tageszeiten längst ihre Kapazitätsgrenzen überschritten, Fahrgäste müssen oft mehrere Züge durchfahren lassen, bis sie einen Platz im Gedränge ergattern können.


Eine „echte“ Straßenbahn wird kommen

Der Ausbau des ÖPNV steht oben auf der Agenda der Stadtverwaltung. Einzelne Verlängerungen der Metro sind vorgesehen, doch aus Kostengründen und um eine bessere Erschließungswirkung zu erzielen – bei zugleich deutlich besserer Integrierbarkeit in die Stadtlandschaft – setzt man dabei zunächst auf den Ausbau der „Tranvía“. Allerdings wird das System Translohr vom Hersteller Alstom seit 2018 nicht mehr angeboten, und nach längeren Vorüberlegungen entschloss man sich vor Ort auf den Bau einer traditionellen Niederflur-Stahlrad-Straßenbahn. Gewinner der Ausschreibung über den Bau einer ersten solchen Linie ist ein chinesisch-portugiesisches Konsortium bestehend aus der China Railway Construction Company (CRCC), und dem Baukonzern Mota-Engil aus Portugal und dessen kolumbianischer Filiale.

Das Konsortium errichtet eine 13,3 km Linie in europäischer Normalspur mit 17 Haltestellen entlang der Avenida 80. An drei Haltestellen wird Übergang zu den Metrolinie A und B angeboten, dies sind die Stationen Aguacatala (Linie A), Floresta (B) und Caribe (A). Baubeginn soll noch 2023 sein, für 2027 ist die Eröffnung vorgesehen. Analog der Translohr-Linie wird auch die neue Tram weitgehend auf Eigentrasse entlang oder in der Mitte vorhandener Straßen verlaufen und sich an Modellen europäischer Betrieb vergleichbarer Bauart orientieren. Die Fahrzeugbeschaffung ist noch nicht festgelegt worden.

Die als „Metro de la 80“ bezeichnete Anlage wird als Gesamtprojekt zu 30% von der Stadt und der Region Antioquía finanziert, während die Zentralregierung die übrigen 70% der erwarteten Kosten von rund 760 Mio. USD besteuert.

Die neue Tranvía | © Metro de la 80 on Twitter
Streckenführung der neuen Tranvía | © Metro de la 80
Die neue Tranvía | © Metro de la 80 on Twitter
26.02.2023