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Casablanca: Die beiden neuen Tramlinien gehen in Betrieb

von Erik Buch
Parc de la Ligue Arabe - Alstom Citadis X05 in Doppeltraktion auf der T4 | © Erik Buch

In der marokkanischen Metropole Casablanca wird dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs weiterhin Priorität eingeräumt: Im Juni 2024 gehen die beiden neuen Straßenbahnlinie T3 und T4 in Betrieb und erhöhen damit die Netzlänge um knapp 60%.

Schon seit der Inbetriebnahme der ersten Linie vor 12 Jahren erwies sich die Casa Tramway schnell als Erfolgsmodell. Und so überraschte es wenig, dass die Stadtverwaltung und die Prefecture den weiteren Netzausbau, der vorher schon auf dem Papier stand, vorantreiben. Nach Inbetriebnahme der zweiten Linie T2 in 2019 wuchs die Streckenlänge auf 46 km, die anfänglichen 74 Alstom Citadis 302, die nur einen Fahrstand, aber Türen auf beiden Seiten aufweisen, wurden um 50 baugleiche Wagen ergänzt.

Der Bau der beiden neuen Linien T3 und T4 begann 2019, verzögerte sich aber vor allem bedingt durch die Corona-Pandemie und konnte erst Anfang diesen Jahres weitgehend abgeschlossen werden. Seit März 2024 läuft der Testbetrieb in vollem Umfang auf beiden Strecken, aktuell wird bereits der fahrplanmäßige Ablauf weitgehend simuliert. Hier fahren ausschließlich die seit 2022 von Alstom gelieferten 66 Citadis X05 Triebwagen, ebenfalls mit nur je einem Fahrstand und Türen an beiden Seiten für Zweirichtungsbetrieb ausgerüstet. Auch sie fahren somit stets in Doppeltraktion Heck-an-Heck gekuppelt.

T1 kreuzt die T4 (im Hintergrund) | © Erik Buch
T4 im Zentrum – Av. Mers Sultan | © Erik Buch
© RATP Dev / Casa Tramway
Siehe auch: https://www.urbanrail.net/af/casa/casablanca.htm

Die Betriebseröffnung der Neubaustrecken ist für den kommenden Monat Juni angekündigt, voraussichtlich unter Anwesenheit des Königs. Dann ergänzen die bisherigen Linien T1 mit 23,6 km Länge und 38 Haltestellen und T2 mit 33 Haltestellen auf 22,4 km folgende neue Linien:

T3 Gare de Casa-Port – Hay El Wahda (20 Haltestellen, 14,1 km Länge)

T4 Parc de la Ligue Arabe – Mohammed Erradi (19 Haltestellen, 12,5 km Länge)

Gemeinsam befahrene Streckenabschnitte gibt es bei keiner der vier Linien der Casa Tramway, allerdings diverse Kreuzungs- und Schnittpunkte mit Umsteigemöglichkeit und meist auch Gleisverbindung für betriebliche Belange. Die Linie T4 soll künftig vom Parc de la Ligue Arabe noch bis zum Großen Moschee am nördlichen Stadtstrand von Casablanca verlängert werden – einen Termin gibt es hierfür allerdings noch nicht. Der Bau weiterer Straßenbahnlinien ist mittel- bis langfristig in der Planung, doch lag das Augenmerk zuletzt auch verstärkt auf dem Thema Bus Rapid Transit (BRT), dessen erste zwei Linien im März diesen Jahres in den Planbetrieb gingen. Sie verkehren allerdings bislang außerhalb des eigentlichen Stadtzentrums und schließen dabei an die T1 und T2 an. Mercedes-Benz CapaCity L kommen hier zum Einsatz. Wir berichteten darüber hier.

BRT Linie BW1 in Omar Al Khiam, mit Mercedes-Benz CapaCity L, hinten Tram T1 | © Erik Buch
Mercedes-Benz Conecto und Irizar i3/Scania – Place Nations Unies | © Erik Buch

Der lange Jahre stark vernachlässigte Bestand an sonstigen Linienbussen präsentiert sich aktuell recht einheitlich: Eingesetzt werden seit 2020 Mercedes-Benz Conecto als Solo- und Gelenkwagen, die der Hersteller aus seinem türkischen Werk in einer Anzahl von 500 (davon 80 Gelenkwagen) an den Betreiber ALSA nach Marokko lieferte, zusammen mit 200 Low-Entry-Busse des spanischen Fabrikanten Irizar vom Typ i3 mit Scania-Motoren, die in einem einheimischen Zweigwerk des Herstellers montiert wurden.

Längerfristige Optionen sehen weiterhin den Bau einer überwiegend unterirdischen Metro vor, die im wachsenden Ballungsraum Casablanca mit seinen mehr als 3 Millionenn Einwohnern sicherlich gute Dienste leisten könnte. Allerdings gibt es diese Planungen bereits seit Jahrzehnten. Trotz aller Erfolge und kurzer Fahrplantakte stößt die Tramway nicht selten schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen, auch wenn alle Kurse in Doppeltraktion gefahren werden und damit jeweils knapp 440 Fahrgästen Platz bieten. Mit der Metro ließen sich ggf. auch höhere Reisegeschwindigkeiten erzielen: Aktuell fährt die Tram mit einer Reisegeschwindigkeit von rund 19 km/h, trotz ausschließlich reserviertem Gleiskörper. Der Andrang an den Haltestellen, die sämtlich zugangsbeschränkt und durch zwei Personale überwacht sind, führt zuweilen zu längeren Aufenthalten, aber auch die recht langsame Fahrt im inneren Zentrum und auf kurvenreichen Abschnitten. Größere Straßenkreuzungen werden neben den Ampeln auch durch Polizisten geregelt, die den massiven und häufig recht chaotischen Autoverkehr unter Kontrolle halten sollen. Grundsätzlich hat die Tramway allerdings auch hier Ampelpriorität.

Endstelle T4 Parc de la Ligue Arabe, links und rechts vom Wendegleis die künftige Weiterführung zur Großen Moschee Hassan-II | © Erik Buch
Dreigleisige Endstelle der T3 am Bahnhof Casa Port | © Erik Buch
Endstelle Bahnhof Casa Port, Tram T3 | © Erik Buch
Parc de la Ligue Arabe, T4 | © Erik Buch
10.05.2024