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Alstom gewinnt 4 Mrd.-Auftrag für S-Bahn Köln für Fahrzeuge und Wartung

Die Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr go.Rheinland und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) bestellen bei Alstom bis zu 90 neue S-Bahnen I © Alstom

Mit neuen 150 bzw. 170 Meter langen Fahrzeugen soll die S-Bahn im Rheinland fit für die Zukunft gemacht werden. Die beiden beteiligten Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) go.Rheinland und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) haben nach einem europaweiten Vergabeverfahren entschieden, dass der Fahrzeughersteller Alstom Transport Deutschland GmbH insgesamt bis zu 90 Neufahrzeuge bauen wird. Alstom hat in einem mehrstufigen Verfahren das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und ist während der über 30-jährigen Laufzeit auch für die Wartung und die Sicherstellung der täglichen Verfügbarkeit verantwortlich. Die ersten neuen S-Bahnen sollen ab Mitte 2029 in einem Probebetrieb auf die Strecken im Rheinland und im Ruhrgebiet gehen. Dieser Auftrag im einstelligen Milliardenbereich wird das Gesicht des SPNV in der Region maßgeblich verändern.

Erster S-Bahn Auftrag seit Bombardier Übernahme

Bei dem Auftrag handelt es sich dem Vernehmen nach um den ersten S-Bahn-Auftrag, seit dem Alstom die ehemalige Bombardier Transportation im Januar 2021 übernommen hat. Während beide Firmen bisher im Konsortium u.a. die BR 430 für die S-Bahn Stuttgart und Frankfurt/ Main ausgeliefert haben, dürfte das gebündelte Know-How aus Frankreich und den deutschen Alstom Standorten Salzgitter und Hennigsdorf nun in einem Projekt zum Erfolg beigetragen haben. Die Hauptverantwortung für die Entwicklung der neuen Züge liegt beim Alstom-Werk in Hennigsdorf, Deutschland. Die Produktion der Fahrzeuge wird am Alstom-Standort in Bautzen erfolgen. Bautzen ist als Produktionsstandort von Straßenbahnen und der S-Bahn Hamburg, BR 490, bekannt.

Bei dem Projekt handelt es sich um die zweite große S-Bahn-Ausschreibung. Vor knapp einem Jahr gewann Siemens die Fahrzeugausschreibung für die S-Bahn München mit einem ebenfalls neuartigen Fahrzeug Konzept.

„Wir haben ein komplett neu konstruiertes Fahrzeug in Auftrag gegeben, das abgestimmt auf die speziellen Bedürfnisse und Anforderungen in unserer Region ist. Damit heben wir die S-Bahn-Flotte auf ein neues Niveau und freuen uns schon heute auf den Einsatz der Alstom-Züge“, so go.Rheinland-Geschäftsführer Michael Vogel. „Wir möchten uns in diesem Zusammenhang aber auch für das außerordentliche Engagement aller beteiligten Fahrzeughersteller bedanken.“

Alstom wird über einen Zeitraum von 34 Jahren die volle Verantwortung für die Wartung der Züge übernehmen I © Alstom

„Mit dem Einsatz der neuen S-Bahn-Fahrzeuge setzen go.Rheinland und der VRR neue Maßstäbe im Regionalverkehr“

VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke ergänzt: „Mit dem Einsatz der neuen S-Bahn-Fahrzeuge setzen go.Rheinland und der VRR neue Maßstäbe im Regionalverkehr. Die neuen Züge werden dazu beitragen, dass wir den Fahrgästen der S-Bahn im Rheinland mehr Qualität und einen stabilen Betrieb anbieten können. Die Fahrgäste profitieren von flexiblen Sitzlandschaften, Kundeninformation der neusten Generation, Toiletten in den Zügen, freiem WLAN und einem verbesserten Mobilfunkempfang. Gemeinsam ist es uns erneut gelungen, die Fahrzeughersteller zu motivieren, instandhaltungsfreundliche und energieeffiziente Fahrzeuge zu konstruieren.“

Dies ist der bisher größte Auftrag für Alstom in Deutschland mit einem Gesamtwert von über 4 Milliarden Euro I © Alstom

Müslüm Yakisan, Präsident der Region DACH bei Alstom, sagt: „Die neue Fahrzeuggeneration der S-Bahn im Rheinland wird den öffentlichen Nahverkehr in der Region auf Jahrzehnte entscheidend prägen. Alstom wird hier komfortable und innovative Züge mit einem starken Fokus auf die Barrierefreiheit auf die Schiene bringen. Es freut uns ganz besonders, dass go.Rheinland und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr uns nicht nur mit der Lieferung der Fahrzeuge, sondern auch mit der Wartung über deren gesamten Lebenszyklus betraut haben.“

Mix aus verschiedenen Sitzmodulen für maximalen Komfort

Die zentrale Herausforderung bei der Konzeption der neuen Fahrzeuge bestand darin, die teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Fahrgäste bestmöglich in Einklang zu bringen und gleichzeitig einen stabilen Betrieb gewährleisten zu können. Im Durchschnitt verbringt ein Fahrgast etwa 25 Minuten pro Fahrt in der S-Bahn hier in der Region. Dahinter verbergen sich aber gleichermaßen kurze Fahrten in der Innenstadt und lange Reisen von bis zu einer Stunde Dauer in den ländlichen Raum. Diesen breitgefächerten Anforderungen müssen die neuen Züge gerecht werden. Bei längeren Strecken braucht es mehr Sitzplätze, während für kürzere Strecken möglichst hohe Kapazitäten in Form von Stehplätzen benötigt werden. Ein Mix aus Modulen, die im Zug angeboten werden, soll die optimale Schnittmenge und die bestmögliche Flexibilität bringen:

  • Flexmodul (Vis-à-vis-Sitze, die bei Bedarf umgeschwenkt oder eingefahren werden können)
  • Vis-à-vis-Sitzmodul
  • Mehrzweck-Modul mit Klappsitzen
  • Rollstuhl-Modul mit Klappsitzen und
  • Komfortstehplatz-Modul
Die S-Bahnen sind als Gliederzug ausgelegt und verfügen über drei Türen pro Seite – markant sind die bedeuteten Türen und Dachvouten I © Alstom

Dabei müssen die gesamte Fahrzeugarchitektur und insbesondere die Gestaltung der Türbereiche einen raschen Fahrgastwechsel ermöglichen, der eine grundlegende Voraussetzung für eine hohe Betriebsstabilität darstellt.

Erste Hochflur S-Bahn mit WC

Ein absolutes Novum der neuen S-Bahn-Züge ist ein WC in jedem Endwagen: Keine andere S-Bahn mit hochflurigen Fahrzeugen in Deutschland verfügt bisher über WCs.

Darüber hinaus sollen neben inzwischen von den Fahrgästen als selbstverständlich angesehenen WLAN-Routern und Steckdosen zahlreiche Innovationen im Zug den Reisekomfort der Fahrgäste deutlich verbessern:

  • leistungsfähige Klimaanlage mit umweltfreundlichem Kältemittel für Außentemperaturen von -25 bis zu 45°C
  • Mehrzweckbereiche in jedem Wagen des Zuges mit großzügiger Stellfläche für Kinderwagen und Fahrräder
  • Rollstuhlbereiche jeweils in den Endwagen
  • Spaltüberbrückung für einen niveaugleichen Einstieg an den jeweils ersten und letzten beiden Einstiegen des Zuges
  • digitale Höranlage über Bluetooth für Hörgeschädigte
  • mobilfunkdurchlässige Außenscheiben

Gewartet und Instand gehalten werden die neuen S-Bahn-Züge in modernen Werkstätten in der Region Köln, welche allen Anforderungen an eine reibungslose Instandhaltung zu Gunsten der vollumfänglichen Verfügbarkeit der Fahrzeuge und vor allem der Zuverlässigkeit für den Fahrgastbetrieb und -komfort gerecht werden. Neben der Wartung kommt dabei auch der vorausschauenden Instandhaltung durch den Einsatz modernster digitaler Technologien eine hohe Bedeutung zu. Diese erhöht die Fahrzeugverfügbarkeit und reduziert zugleich die Wartungskosten, was über den gesamten Lebenszyklus der Züge für signifikante Einsparungen sorgt. Die entsprechenden Prozesse werden während der mehr als dreißigjährigen Laufzeit des Wartungsvertrags kontinuierlich angepasst. Die Basis bildet das konsequent auf Instandhaltbarkeit und Optimierung über die gesamte Lebensdauer ausgelegte Konzept der Züge. Dank dieser Faktoren konnte Alstom das wirtschaftlichste Angebot auf dem Markt präsentieren.

Besitzer der neuen S-Bahn-Fahrzeuge werden go.Rheinland und VRR bzw. deren Eigenbetriebe sein, welche die Fahrzeuge – wie beim NRW-RRX-Modell – den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zur Verfügung stellen. Das Ziel ist es, alle Neufahrzeuge sukzessive bis zum Fahrplanjahr 2033 auf die Schienen zu bringen. Das Netz der S-Bahn im Rheinland umfasst die Linien S 6 von Essen über Düsseldorf bis Köln-Worringen, die (zukünftige) Linie S 10 von Köln-Nippes bis Köln-Dellbrück, die Linie S 11 von Düsseldorf Flughafen über Köln bis Bergisch Gladbach, die Linie S 12 von Horrem/Sindorf bis Au (Sieg), die (zukünftige) Linie S 13 von Troisdorf bis Bonn-Oberkassel, die Linie S 19 von Aachen/Düren bis Au (Sieg), die (zukünftige) Linie S 38 (vormals RB 38) von Bedburg über Horrem nach Köln Messe/Deutz sowie die Linie S 68 von Langenfeld über Düsseldorf nach Wuppertal-Vohwinkel. Für das Fahrplanjahr 2032 sind rund 14,2 Millionen Zugkilometer im Netz der S-Bahn-Linien vorgesehen. Perspektivisch wird mit 20,1 Millionen Zugkilometern pro Jahr geplant. Dafür muss aber an diversen Stellen im Bahnknoten Köln noch die Infrastruktur fertiggestellt werden.

VRR und go.Rheinland wurden bei diesem einmaligen Großprojekt für den SPNV in den letzten Jahren gutachterlich und beratend u.a. unterstützt von TÜV Rheinland InterTraffic GmbH, Neomind GmbH und BUSE Rechtsanwälte.

Bereits im März dieses Jahres war die Entscheidung gefallen, dass die DB Regio AG die Züge des S-Bahn-Netzes bis Dezember 2032 betreiben wird. Für die Zeit danach wird ein neues Vergabeverfahren zur Erbringung der Betriebsleistungen mit den neuen modernen Zügen vorbereitet.

Ersetzt werden dürften somit ab Anfang der 2030er Jahre die ältesten eingesetzten Fahrzeuge der S-Bahn Köln, d.h. die BR420, BR422, BR423 und BR424.

Die offizielle Unterzeichnung des Vertrags mit dem Hersteller wird zu einem späteren Zeitpunkt in gebührendem Rahmen stattfinden.

Züge der Baureihen 422 und 423 der S-Bahn Köln am Bahnhof Köln Messe/Deutz I © DB AG/ Axel Hartmann
24.07.2024