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25 Jahre Obus-Museum Solingen

Der Obuszug verlässt den Betriebshof | © Christian Marquordt

Am 2. Juli 1999 gründete sich in Solingen ein Verein, der es sich zur Aufgabe gesetzt hatte, den historischen Trolleybus 59 (zeitweilig auch geführt als 059) der Stadtwerke Solingen zu pflegen und zu erhalten. Dieser Wagen ist ein selbsttragender Uerdingen ÜH III s mit Komponenten – so zum Beispiel den Achsen – von Henschel. Seine elektrische Ausrüstung stammt von Kiepe in Düsseldorf. Erstmals zugelassen wurde er am 18. Dezember 1959 – das macht ihn dem Verfasser sehr sympatisch, denn der hat just am selben Tag, dem 18. Dezember, Geburtstag.

Am 30. Dezember 1975 steht der damals erst 16 Jahre alte Uerdingen ÜH III s auf dem Betriebshof, heute ist er schon (fast) 65 Jahre alt | © Christian Marquordt

Der Verein nennt sich „Obus-Museum Solingen e. V.“. Er arbeitet eng zusammen mit den Stadtwerken Solingen (SWS). Für seine Fahrzeuge hat der Verein eine Halle errichtet, und die steht auf dem Gelände des SWS-Betriebshofs Weidenstraße. Was unmissverständlich zeigt: Verein und Stadtwerke können gut miteinander, und das seit 25 Jahren. Das wurde nun vor Ort gefeiert.

Fünf Generationen von Solinger Trolleybussen

Wagen 59 sollte aber nicht nur wohl behütet in jener Halle auf dem Betriebshof stehen, er sollte auch die Anfangsjahre des Solinger Obusbetriebs – gegründet am 19. Juni 1952 – erlebbar machen. Damals trat der Trolleybus an die Stelle der Straßenbahn. Die war während des Zweiten Weltkriegs schwer getroffen worden, ein Wiederaufbau wäre – nicht zuletzt aufgrund der Topographie der Stadt – sehr teuer geworden, und technisch anspruchsvoll für Straßenbahnen wäre es auch geworden. Denn in Solingen ist das Höhenniveau „eben“ noch nicht erfunden worden, ständig geht es bergauf oder bergab. Steigungen oder Gefälle von 10 oder gar 12 % sind in der Stadt nicht ungewöhnlich. Eine Straßenbahn bekommt da Probleme, ein Bus – gerade auch, wenn er elektrisch betrieben wird – steckt so was locker weg.

Wagen 59 wurde also für historische Sonderfahrten herangezogen. Und weil es – bis zum Verbot des Anhängers ab 01.Juli 1960 – in Solingens Obusbetrieb auch Anhänger gegeben hat, besorgte man auch einen passenden Anhänger für Wagen 59. Die Anhänger der SWS waren von den Typen „OA 3“ und „OA 5“ des Kölner Herstellers Bauer – von ihnen lebte keiner mehr. Man fand einen Anhänger des Typs „WH 112“ des Eschweger Herstellers Orion. Der wurde mit der Betriebsnummer „06“ auf Solingen adaptiert, und man zieht ihn heute hinter Uerdingen Wagen  59 her. Kein Irrtum: Solingen hat original nie Anhänger von Orion gehabt, Aber ein Bauer „OA 3“oder „OA 5“ war nicht mehr aufzutreiben …  Anmerkung: Das Verbot von Busanhängern gilt bis heute, in der vormaligen DDR trat es mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 03. Oktober 1990 in Kraft. Wo immer heute in der Bundesrepublik Busanhänger im Einsatz sind, sind sie mit Ausnahmegenehmigung unterwegs. Wobei auffällt, dass es lange keine neuen Busanhänger mehr gegeben hat, die anfängliche Euphorie hat sich gelegt, man hat das sprichwörtliche Haar in der Suppe gefunden. Zwischendurch ab- und ankuppeln: viel zu aufwändig!

Anhänger 06, ein Orion WH 112 von 1956 | © Christian Marquordt
Ex-Bern Bernmobil 55 am 10. Mai 2007 in der Halle auf dem Betriebshof | © Christian Marquordt

Mehr und mehr wuchs die Sammlung des Obusmuseums um weitere Wagen des Solinger Trolleybusbetriebs. Als der Ersatz der ersten Generation von Solinger Obussen durch Neufahrzeuge anstand, testete Solingen moderne Obusse: einen tschechischen Skoda und einen schweizerischen Gelenkwagen (SVB Bern 55). Beide vermochten in Solingen nicht zu überzeugen: beim Skoda mag eine Rolle gespielt haben, dass er aus dem – damals feindlichen – Ausland kam, der Schweizer Gelenkwagen fiel durch, weil die Schweiz kein Niedriglohnland ist. Kurz: der Schweizer Gelenk-Trolleybus war den SWS zu teuer. Immerhin konnte das Obusmuseum Wagen 55, als er in Bern ausgemustert wurde, übernehmen, um ihn als Teil der Solinger Obusgeschichte zu bewahren. Es gibt ein Foto von ihm in der Halle auf dem Solinger Betriebshof Weidenstraße. Leider ist er letztlich nicht in Solingen aufbewahrt geblieben.

Nichts desto trotz brauchte Solingen Ende der sechziger Jahre neue Obusse. Die ältesten Wagen waren von 1952 und 1968 mithin 16 Jahre alt … Nicht mehr ganz so taufrisch. Die SWS hatten damals Dipl-Ing. Meis  als Chef, und der war überzeugt von den italienischen „Filobussen“ (wörtlich „Drahtbussen“)  der dreißiger bis fünfziger Jahre: Dreiachser mit zwei Türen, je eine hinter der Vorder- und der dritten Achse. Nach diesem Konzept entwickelte und konstruierte er den „TS“ (= Trolleybus Solingen), der von 1968 (der Prototyp) bis 1974 in den drei Lieferserien TS 1, TS 2 und TS 3 beschafft wurde. Insgesamt gab es 80 „TS“.

Ihre Herstellerangaben sind nicht so ganz unproblematisch. Fest steht, dass ihre Aufbauten von der Essener Karosseriefabrik Gebrüder Ludewig (Essen-Altenessen) stammten. Für ihre elektrischen Ausrüstungen kann man mitunter „Eigenbau“ lesen. Das ist natürlich nicht richtig: ihre elektrischen Ausrüstungen stammten aus den Wagen der Vorgänger-Generation. Und weil es mehr neue „TS“ als Wagen der Vorgängergeneration gab, kaufte man ein paar gebrauchte Uerdingen ÜH III s von anderen Betrieben. Der Bochumer Wagen 5 ging in Solingen als Wagen 63 wieder in Betrieb, die Wagen 181, 185, 183 und 184 aus Minden liefen später in Solingen als Wagen 01 bis 04. Andere gebrauchte ÜH III s hatten in Solingen nur eine Aufgabe: sie lieferten die elektrischen Ausrüstungen für neue „TS“.

Spannend ist die Frage, wer die Fahrgestelle für die neuen TS geliefert hat. Hier wird gerne Krupp als Lieferant angegeben, aber ganz so einfach ist das nicht. Der Nutzfahrzeug-Hersteller Krupp war zu der Zeit schon von Mercedes „geschluckt“ worden, und zwar mit dem Ziel einer Marktbereinigung. Richtig ist aber auch, dass das Antriebsaggregat für die Achsen 2 und 3 in der Tat eine Konstruktion von Krupp war. Mercedes jedenfalls zog es vor, seinen Stern nicht auf den neuen Solinger Trolleybussen zu sehen.     

Die „TS“ wurden nach ihrer Zeit in Solingen ins argentinische Mendoza verkauft, wo die meisten von ihnen unter dem Namen „El Trole“ munter wieder in den Einsatz gingen. Dem Museumsverein gelang es nach mehr als 10-jähriger Vorbereitung, zwei der „TS“ nach Solingen zurück zu holen, und zwar in zeitlicher Reihenfolge die Solinger Wagen 68 (TS 3 von 1974) und 10 (TS 1 von 1969). Beide arbeitet der Verein zurzeit wieder auf: Wagen 68 soll wieder in Solingen auf die Straße kommen (und ist schon weit gediehen), Wagen 10 soll optisch wieder hergerichtet werden – an einen Einsatz mit Fahrgästen ist nicht wieder gedacht.

Das war der ex-Solinger TS1 Trolleybus 10 vor dem Abtransport aus Argentinien. Er war dort nur wenige Jahre im Einsatz – unter der Nr. 80 | © Urban Transport Magazine
Krupp/Ludewig TS 1 Wagen 10 im augenblicklichen Zustand | © Christian Marquordt
So sah Krupp/Ludewig TS 3 Wagen 68 bei der Rückkehr aus Medonza aus | © Franz Grantl
… und so zeigt er sich heute wieder | © Christian Marquordt

Nachfolger der TS wurden Dreiachser von MAN, und zwar sowohl Gelenkwagen (Wagen 1 bis 21) vom Typ SG 200 HO als auch 12 Meter lange Solowagen vom Typ SL 172 HO. Solingen schwor auf das Prinzip des Dreiachsers: bei Eis und Schnee im Winter habe der Dreiachser mit den angetriebenen Achsen 2 und 3 eine wesentlich bessere Traktion. Alle diese Wagen wurden in Wien bei MAN-Tochter Gräf & Stift gebaut, galten (und gelten) rechtlich aber als deutsche Produkte aus dem Haus MAN, wie sich unschwer an ihren Fahrzeug-Ident-Nummern nach MAN-Schema („WMA …“) erkennen lässt.

Auch von dieser Generation gehören zwei Wagen zum Museumsbestand: der Gelenkwagen 5 und der Solowagen 42. Ein weiterer der Solowagen steht im Deutschen Museum in München.

Museumswagen MAN-Gräf & Stift SL 172 HO Wagen 42 verlässt den Betriebshof | © Christian Marquordt
Gehört seit kurzem dem Obusmueum: Wagen 171, ein Berkhof Premier AT 18 on 2000, am 30. Mai 2021 bei „40 Jahren Linie 684 zur Hasselstraße“ | © Christian Marquordt

Die vierte Generation Solinger Trolleybusse besteht ausschließlich aus Gelenkwagen.  Es gab und gibt fünfzehn Berkhof Premier AT 18 von 2000/2001, (Wagen 171 bis 185), zwanzig Van Hool AG 300 T von 2002 (Wagen 251 – 270) und fünfzehn Hess BGT-N 2 C aus 2009 (Wagen 951 bis 965). Die Hess zeichnen sich durch Generator-Aggregate der Trierer Firma Kirsch aus, mit denen sie sich ihren Fahrstrom für Linienabschnitte ohne Fahrleitung selber machen.

Auch von dieser vierten Generation gehört seit dem Jubiläumswochenende ein erster Wagen zum Museumsbestand: der Berkhof Premier AT 18 Wagen 171.

Die Wagen der fünften Generation liefert seit 2018 nach und nach Solaris. Sowohl die Solo- als auch die Gelenkwagen sind „Batterie-Oberleitungs-Busse“ (BOB), die da, wo es keine Fahrleitung gibt, mit Strom aus ihren Batterien fahren, während sie da, wo sie unter Fahrleitung unterwegs sind, mit dem Strom aus der Leitung fahren und mit ihm auch ihre Batterie wieder aufladen. Das läuft seit 2018 – und funktioniert  prächtig.

Solaris Trollino 12 BOB, Wagen 209 an der Schule Widdert | © Christian Marquordt

Die Dieselfahrzeuge im Museum                                                                     

Zum Museum gehören aber auch drei Dieselbusse und ein Turmwagen. Die Dieselbusse sind ein Mercedes-Benz O 322 von 1964 (Wagen 161), ein Mercedes-Benz O 305 von 1984 (Wagen 151) und ein Mercedes-Benz O 405 GN von 1996 (Wagen 653).

Wagen 161 wäre ein echtes Schmuckstück. Denn vom Typ O 322 hat Mercedes nicht einmal 1.000 Wagen gebaut, das ist für Mercedes eher wenig. Bei der SSB in Stuttgart gab es einen wunderschön restaurierten Wagen dieses Typs, der aber leider Opfer eines Brands wurde. Und so ist der Wagen in Solingen wohl der einzige seines Typs, der noch lebt. Erhaltung also dringend gewünscht.

Es gibt nur ein Problem: er war viele Jahre im Freien abgestellt, und das ist ihm nicht wirklich gut bekommen. Ganz im Gegenteil: leise rieselt jede Menge Rost. Das Obusmuseum will ihn wieder machen, aber „im Moment wollen wir erst einmal andere Projekte fertigstellen, zum Beispiel die Aufarbeitung von MAN-Gelenkbus 5.“ In der Halle auf dem Betriebshof der SWS wird der Platz knapp … So muss O 322  Wagen 161 erst einmal ausziehen. „Wir haben eine Halle gefunden, da steht er vollkommen geschützt vor Wind und Wetter (und vor bösen Buben). Wenn Zeit und Geld da sind, gehen wir an die Restauration von Wagen 161.“ Das wird keine Kleinigkeit.

In ihm steckt viel Arbeit: Mercedes-Benz O 322 Wagen 161 vom Jahrgang 1964 | © Christian Marquordt
Auch dieser O 305 gehört zum Bestand des Obusmuseums | © Christian Marquordt

Der Turmwagen von 1981

Zu einem Trolleybusbetrieb gehört auch ein Túrmwagen. Schließlich kann immer mal was mit der Fahrleitung sein, und dann muss das Reparatur-Team schnell vor Ort sein, um das Problem mit eigenen Mitteln zu beheben. Dazu hatten die SWS den Turmwagen 104, einen mit Diesel betriebenen MAN 13.168 HK Hauben-Lkw mit Aufbau von Firma Schörling aus Hannover. Auch er gehört heute zum Bestand des Museums.                     

Die historischen Busse (Fahrzeuge) des Museums:
(sortiert nach Wagennummern)

5          1984     MAN-Gräf & Stift SG 200 HO

06        1956     Orion WH 112  (Anhänger, gebraucht übernommen)

10        1969     Krupp/Ludewig TS 1  (zeitweilig in Mendoza, wird optisch aufgearbeitet)

42        1986     MAN-Gräf & Stift SL 172 HO  (Dreiachser)

59        1959     Uerdingen ÜH III s   (zeitweilig unter Wagennummer 059)

68        1974     Krupp/Ludewig TS 3  (zeitweilig im argentinischen Mendoza, in Aufarbeitung)

104      1981     MAN 13.168 HK  (Hauben-Lkw, Turmwagen-Aufbau von Schörling)

151      1982     Mercedes-Benz O 305

161      1964     Mercedes-Benz O 322  (soll in der Zukunft aufgearbeitet werden)

171      2000     Berkhof Premier AT 18  (zum 25. Jubiläum übernommen)

653      1996     Mercedes-Benz O 405 GN

Anmerkungen:

  • Wagen 161 war, bevor er zum Obusmuseum kam, jahrelang im Freien abgestellt. Das ist ihm schlecht bekommen, der Rost ist sehr weit fortgeschritten. Aufarbeitung wird aufwändig.
  • Von privater Seite in Großbritannien wird Wagen 1 erhalten, ein Uerdingen ÜH III s aus der Erstbeschaffung von 1952. Er ist gelegentlich zu Besuch in seinem Heimatbetrieb, so auch jetzt zum Jubiläum  
  • Wagen 104: klassischer Turmwagen, wie ein Trolleybusbetrieb ihn für Fahrleitungsarbeiten braucht  
Wagen 1 wird in Grossbritannien aufbewahrt und kehrte zum Jubiläum nach Solingen zurück – hier verlässt er die Drehscheibe in Burg | © Christian Marquordt
Derselbe Uerdingen/Henschel ÜH IIIs Wagen 1 an der Drehscheibe in Burg | © Christian Marquordt
21.07.2024