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Frankreich prognostiziert drastische Abkehr vom ÖPNV

Werden die Pariser RER-S-Bahnen in Zukunft leer bleiben? I © Reinhard Christeller

Der „Observatoire de la mobilité“ gibt seit sieben Jahren eine Studie des Verkehrsverhaltens heraus und prognostiziert in ihrer neuesten Studie, dass Covid-19 die Benutzer massiv und vor allem für lange Zeit davon abhalten wird, ihre gewohnten U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen zu benutzen. Dies geht aus der unter 1500 Personen, die in Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern leben, durchgeführten Umfrage hervor: 30 % der Fahrgäste im Linienverkehr wollen nach der Corona-Krise den ÖV nicht mehr oder weniger zu benutzen. 19 % wollen zu Fuß gehen, 8 % mit dem Fahrrad, 2 % mit dem Roller, aber auch der motorisierte Individualverkehr soll zunehmen: 16 % wollen das Auto benutzen und 2 % ein Motorrad. In diesen Zahlen sind auch diejenigen 13 % Personen einbezogen, die zukünftig, aus Gründen der Bequemlichkeit und des Umweltschutzes den ÖV vermehrt benutzen wollen.

 Weniger Fahrgäste in Frankreichs U-Bahnen, Trams, S-Bahnen und Vorortszügen I © Reinhard Christeller

In Großstädten, allen voran Paris, ist damit der Verkehrskollaps programmiert: Sollten in der Region Ile-de-France nur 10 % der Nutzer von U-Bahnen, RER und Vorortzügen auf das Auto umsteigen, würde dies laut der Studie zu 40 bis 80 % Mehrverkehr auf den bereits jetzt verstopften Straßen nach Paris führen.

Der ÖV-Sektor mit seinen 260 000 Arbeitsplätzen hat bereits in der ersten Phase der Corona-Maßnahmen rund 2 Milliarden Euro Einnahmenverluste erlitten und die Gebietskörperschaften eine Milliarde weniger Steuereinnahmen aus Mobilitätszahlungen der Unternehmen hinnehmen mussten.

Kann der ÖV das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen? Die wissenschaftlichen Daten sagen, dass die Ansteckungsgefahr im öffentlichen Verkehr klein ist. Nicht nur ein Bericht von Santé publique Frankreich bestätigt dies, sondern auch die Arbeit der American Public Transportation Association, der Universität Oxford, des British Rail Safety and Standards Board, der Universität von Boulder, Colorado.

Die Studie weist aber auch darauf hin, dass der ÖV pro Fahrgastkilometer einen Bruchteil an CO2 ausstößt als Privatautos, nämlich halb so viel für Dieselbusse und sechzigmal weniger  fürU-Bahnen und Straßenbahnen. Die Krise könnte auch eine Gelegenheit sein, das Mobilitätsangebot in Frankreich zu überdenken. Die Zunahme der Telearbeit könnte langfristig zu einer veränderten Siedlungsstruktur und damit zu einer Verlagerung der öffentlichen Verkehrsdienste in die Fläche führen. Die aktive Mobilität (Radfahren, Gehen, usw.) in den städtischen Zentren würde dazu beitragen.

Fußgänger und Radfahrer, aber auch der Autoverkehr werden in Frankreichs Städten zunehmen I © Reinhard Christeller
03.12.2020
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